Island – Traumland und zweite Heimat

Viele Wochen sind vergangen und der isländische Sommer hat sich gestern mit einem Wetterumschwung verabschiedet.

Ich weiss gar nicht, wo ich anfangen soll zu erzählen. Es ist den Sommer über so viel passiert, ich habe so viel erlebt und dabei war es „nur“ Alltag. Aber ein Alltag, der super viel Spass gemacht hat. Ich habe hier in Island den Sommer meines Lebens verbracht.

Ich war mit einer kleinen Ausnahme jede Woche zu Pferd unterwegs. Entweder auf der Golden Circle- oder der Landmannalaugar Tour. Beide jeweils sechs Tage. Gesamt habe ich rund 2.000 km zu Pferd gemacht.

Viele fragen mich, ob’s irgendwann nicht langweilig oder anstrengend wird. Ganz klar NEIN! Ich habe jede Tour auf’s neue genossen. Auch wenn die Wege gleichen waren, war es jedes Mal anders und spannend. Andere Leute, andere Arbeitskollegen, andere Pferde und ganz klar für Island, immer anderes Wetter. 😉

Die Woche, in der ich gezwungenermassen frei hatte (sie hatten sich bei der Personalplanung vertan und zu viele Leute da), war Bettina da. Wir hatten wunderbares Sommerwetter und haben den Süden und Snaefellsnes erkundet. Ausserdem haben wir meine letzte Nacht in den Zwanzigern ausgiebig in Reykjavik gefeiert. 😛

Den ganzen Sommer über war das Wetter einfach fantastisch. Hätte ich nie so gut erwartet. Ich hatte gesamt an maximal drei Tagen die Regenjacke an und auch dann nur für ein paar Stunden. Manchmal konnten wir sogar im T-Shirt reiten. Doch zum Glück nur wenige Tage. Den Pferden machen Temperaturen über 15 Grad ganz schön zu schaffen.

Ich habe hier so viel gelernt und Erfahrungen gesammelt. Und das ganz nach isländischer Art. Einfach machen. Erklärt wird hier nicht viel. So war ich beispielsweise öfters mit dem Anhänger unterwegs. Polizeikontrolle ist hier auf dem Land Fehlanzeige. Glücklicherweise gibt‘s in Island viel Platz. Um’s rückwärtsfahren bin ich meist drum rum gekommen. 😉

Auf einer Landmannalaugar Tour hat der Koch gefehlt. Da hab ich mich angeboten, den Job zu übernehmen. Und schlussendlich haben sie mich machen lassen. Ich muss zugeben, auf den spartanisch ausgestatteten Berghütten ohne Strom und Warmwasser für eine Gruppe von 25 Leuten dreimal täglich zu kochen hat’s ganz schön in sich. Und da ist auch nicht nur das Kochen. Auch eingekauft und organisiert muss das im Voraus auf’s kleinste Detail. Denn was in den Bergen ausgeht, fehlt dann einfach. Schnell mal zum Supermarkt fahren. Nein.

Es war eine Herausforderung, aber ich glaube, ich habe sie mir Bravur gemeistert. Alle waren   happy und gefrässig. Ausserdem kann ich jetzt traditionell isländische „Kjötsúpa“ kochen und Lammkeule grillen.

Zum Yoga komme ich hier leider nicht so oft, da die Tage vollgepackt sind und kaum Zeit für was anderes bleibt. Dennoch mache ich auf fast jeder Tour mit der Gruppe zusammen Yoga. Es kommt immer super an. Die Leute sind ganz begeistert, nach den langen Tagen im Sattel die Muskeln ein wenig zu dehnen. Und ich kann so ein paar Erfahrungen beim Unterrichten sammeln.

Der Umgang mit den Pferden ist hier komplett anders als daheim. Rauer aber natürlicher. Viel mehr nach meinem Geschmack. Kein betüddeln und übertriebene Fürsorge. Besonders weil sie im grossen Herdenverbund leben und bei uns auf den Touren auch so mitlaufen, lernt man unglaublich viel über deren Sozialverhalten und Körpersprache. Trotz meiner langjährigen Reiterfahrung hab ich mich zu Beginn wie ein blutiger Anfänger gefühlt. Eine ganz andere Welt. Aber ich hab mich rasch eingefunden. Nach und nach habe ich mehr Verantwortung übertragen bekommen und auf den letzten vier Golden Circle Touren habe ich die Pferde alleine gemanagt und geführt. Ein Job, der toller nicht sein kann.

Anfang des Sommers  kam ein Fohlen mit einer Fehlstellung der Vorderbeine zur Welt. Es konnte alleine nicht stehen und somit auch nicht trinken. Seine Mama hat den kleinen Bub nach zwei Tagen aufgegeben und ihn ignoriert. Er war ein Flaschenkind und ich seine Mama, Physiotherapeutin und Krankenschwester. Das hiess, alle drei Stunden die Flasche geben, laufen üben und ab und an die Schienen und Bandagen wechseln. Er war ein Kämpfer mit Wahnsinns Appetit. Er wollte laufen. Und wenn es sein musste, ist er mir über die gesamte Weide auf den Knien entgegen gekrochen gekommen. Drei Wochen haben wir zusammen gekämpft und auf seine Beinchen gehofft. Doch leider wollten sie nicht, wie er wollte. Er musste eingeschläfert werden. Traurig, da er abgesehen von seinen Vorderbeinen doch so putzmunter und fidel war. In der Natur wär er gleich gestorben. Das wusste seine Mama. Dort wo er jetzt ist, springt er mit Sicherheit mit vier gesunden Beinchen mit den anderen Pferdekindern um die Wette.

Vor zwei Tagen hat uns eine weitere schlimme Nachricht erreicht. Eine unserer Stuten mit einem vierwöchigen Fohlen ist in der Tierklinik gestorben. Nun ist der kleine Bub ganz auf sich allein gestellt. Zu traurig, dass die Stute, die ihr Fohlen verloren hat nun keine Milch mehr hat. Eine andere Stute mit Milch und ohne Fohlen kann man zu dieser Jahreszeit kaum mehr ausfindig machen. Wir versuchen den kleinen nun mit der Flasche zu füttern. Doch er trinkt nicht. Er ist zusammen mit einer anderen Stute und Fohlen auf einer kleinen separaten Weide am Haus. Wir hoffen immer noch, sie lässt ihn trinken. Derzeit akzeptiert sie ihn bei sich, doch trinken darf er nicht. Immerhin frisst er ganz fleissig Heu. Doch er ist noch zu klein, um vom Heu allein leben zu können. Ich bin jedenfalls hartnäckig und ärgere ihn mehrmals täglich mit der doofen Flasche. Hoffentlich knickt er irgendwann ein.

Wie gesagt, die Touren sind seit dem 9.9. zu Ende. Direkt im Anschluss war mich Papa letzte Woche besuchen. Bei bombastischem Wetter haben wir die Insel per Auto und zu Fuss erkundet. Auch aufs Pferd habe ich ihn gebracht. 😛

Wie wir so durch’s Land gefahren sind hatte ich ganz viele Gänsehautmomente. Wie wunderschön dieses Land doch einfach ist. Es ich nirgends einfach nur „nett“. Sondern einfach immer hammermässig. Diese Weiten und unberührte, raue Natur. So einzigartig und kontrastreich. Wie Feuer und Eis so nah zusammenliegen können.

Ich will hier nicht weg. Und wenn, dann muss ich zurück. Und das bald.

Derzeit finden überall im Land die traditionellen „Réttir“, die sheep round ups statt. Ein wahres Volksfest und Spektakel und eines der Highlights im isländischen Kalender. Meist werden von Mittwoch bis Freitag die Schafe von den Bergen in grossen Gruppen zu Pferd ins Tal getrieben. Am Samstag geht’s dann ans sortieren der Schafe. Ein riesen Spektakel für Gross und Klein. Ich war am Samstag zusammen mit Familie und Freunden auch dabei. Vormittags sind wir hin geritten und haben ein wenig beim Schafe-sortieren zugeschaut und geholfen. Im Anschluss ging es ganz isländisch zurück mit ein paar Stopps in den Gaststätten mit Livemusik, Bier und Kjötsúpa (Pferde lässt man cowboy-mässig währenddessen auf der Weide draussen grasen). Abends trifft man sich dann zum Feiern und Tanzen beim „Réttir-Ball“ wieder. Es war ein super toller Tag.

So viele tolle Menschen habe ich hier kennen gelernt und neue Freundschaften geschlossen. Auch eine zweite Familie hab ich dazugewonnen.

Für mich ist ganz klar, dass ich wieder kommen werde. Mir stehen hier viele Türen offen und die werde ich betreten.

Und genauso viele, nein viel, viel mehr ganz tolle Pferde habe ich kennen lernen dürfen. Diesen Sommer bin ich mit Sicherheit mehr Pferde geritten, als ich in meinem gesamten restlichen Leben geritten bin und noch reiten werde. Gesamt haben wir hier auf der Fam rund 170 Pferde (Fohlen, Jährlinge und Hengste eingeschlossen). Auf den Touren werden rund 130 bis 140 Pferde eingesetzt. Zu Beginn dachte ich, die Namen werde ich niemals lernen. Und dazu auch noch die jeweiligen Charakteren. Auf einer Tour haben wir, je nach Gästezahl zwischen 35 und 60 Pferde mit dabei. Am Anfang des Sommers sahen alle dunkelbraunen oder alle Schimmel einfach gleich aus. Aber nach und nach erkennt man doch kleine Unterschiede und die Namen bleiben hängen. Mittlerweile habe ich sie alle drin und Pferde die sich zu Beginn zum Verwechseln ähnlich sahen, sehen jetzt grundverschieden aus.:-)

Und natürlich gibt es auch einige Lieblinge. Die sind einfach zuckersüss und gleichzeitig so willensstark und voller Energie. Es fällt mir momentan gar nicht leicht, dran zu denken, wieder auf ein grosses Pferd zu sitzen. Und es gar nicht so einfach, hier nicht „schwach“ zu werden. Ich kenne viele, die hier auf’s Pferd gekommen sind. Bisher bin ich allerdings noch ganz „vernünftig“ und habe kein eigenes. 😉

Mein ursprünglicher Plan war es, Ende September/Anfang Oktober heim zu kommen. zwischenzeitlich habe ich mich ja dazu entschieden, dass ich zwar heim komme, im Anschluss aber noch mal eine Runde reisen möchte. Höchstwahrscheinlich nach Zentral- und Südamerika.

Je näher dieser Termin rückt, desto schlafloser werden die Nächte. Auf der einen Seite will ich diesen Plan noch immer verfolgen. Auf der anderen Seite will mich Island irgendwie nicht loslassen. Ich will hier nicht weg. Mir wurden über den Sommer auch einige Jobs für den Winter angeboten. Alle mit Pferden, vor allem Training und einreiten von Jungpferden. Eine spannende Herausforderung und tolle Erfahrung. Meinen Heimflug habe ich noch immer nicht gebucht. Das schiebe ich noch ein wenig vor mir her. Ich stecke in der Zwickmühle. Ich hab hier nicht eine gute und eine schlechte Alternative. Ich habe zwei unglaublich tolle. Nur kann ich nicht sagen, welche toller ist.

Ich bin mir sicher, dass ich für ein paar Wochen nach Hause kommen werde. Der favorisierte Flug geht am 3.10. Aber wohin es mich danach verschlägt, weiss ich noch nicht. Entweder werden Wintersachen für Island oder Sommersachen für Zentral- und Südamerika gepackt.

Ich halte euch auf dem Laufenden.

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